Strukturbauteile – seien es einzelne Komponenten von Automobilen, Flugzeugen, Schiffen, sonstigen Maschinen und Anlagen oder auch Gesamtsysteme – können bei heutigen Anforderungen kaum ohne zur Konstruktion parallel laufende Simulationen entwickelt werden. Wie in anderen Bereichen bestimmt aber auch hier die Güte der Eingangsdaten die Prognosefähigkeit des Ergebnisses. Dies gilt für statische Struktursimulationen, aber noch mehr für anspruchsvollere Berechnungen, etwa Crashsimulationen. Hier gilt es, das konkrete Werkstoffverhalten wie z.B. Temperatur-, Richtungs- und Dehnratenabhängigkeit in der Simulation abzubilden. Die zugrundeliegende Materialkarte nimmt – neben der sonstigen Modellbildung – eine Schlüsselrolle ein.
Am LZS wurde ein Vorgehen zur Erstellung und Kalibrierung von passgenauen Materialkarten erarbeitet und über die Anwendung in vielen Projekten verfeinert und erprobt. In unserer Praxis muss dabei häufig das orthotrope, meist nichtlineare Verformungs- und Versagensverhalten eines Faserkunststoffverbundes („Composite“) beschreibbar gemacht werden.
Wenn erforderlich – etwa bei sicherheitsrelevanten Zulassungsprozessen – kann dies in einer zertifizierten Prüfumgebung bei umfassender statistischer Absicherung erfolgen. Oftmals ist aber ein fundierter und dennoch pragmatischer Umfang an Prüfungen für sehr gute Simulationsergebnisse ausreichend. Unsere Aktivitäten gliedern sich in beiden Fällen in die experimentelle Charakterisierung und die Materialkartenkalibrierung. Hier stellt die nahtlose Verzahnung von Prüf- und Simulationsteam, wie sie am LZS täglich gelebt wird, eine direkte Verwendbarkeit der Ergebnisse in der Anwendung sicher.
Die als Grundlage benötigten richtungsabhängigen Elastizitäts- und Festigkeitskenngrößen sowie entsprechende Spannungs-Dehnungs-Kennfunktionen werden im Rahmen einer quasistatischen Basischarakterisierung ermittelt. Im pragmatischen Ansatz wird zur orientierenden Analyse einer möglichen Dehnratenabhängigkeit des Materialverhaltens ein ausgewählter Basisversuch zusätzlich bei verschiedenen Belastungsgeschwindigkeiten durchgeführt. Zeigt sich eine geringe Dehnratenabhängigkeit, kann mit vereinfachten Annahmen simuliert werden. Bei ausgeprägter Dehnratenabhängigkeit wird eine entsprechende Prüfreihe ergänzt.
Mit diesen Eingangsdaten kann die iterative Kalibrierung der Materialkarte durch die virtuelle Nachbildung der durchgeführten Basisversuche (meist richtungsabhängig Zug/Druck sowie Schub) vorgenommen werden. Über die Durchführung und virtuelle Nachbildung von 3- oder 4-Punkt-Biegeversuchen an Flachproben mit unterschiedlichen Laminataufbauten wird eine weitere Steigerung der Kalibriergüte erreicht.
Begleitend zur Simulation der experimentellen Versuche werden meist sogenannte Ein-Element-Tests durchgeführt. Diese erlauben eine grundlegende Verifizierung der Materialkarte bei idealisierter einfacher Beanspruchung.
Nach diesem Vorgehen, das in unserer Praxis immer auf die Kundenanforderungen angepasst wird, steht eine passende Materialkarte zur Erfüllung der spezifischen Simulationsaufgabe zur Verfügung. Mit dieser können dann einerseits experimentelle Prüfumfänge durch kosteneffiziente Simulationen ergänzt oder gar ersetzt werden. Andererseits stellt eine abgesicherte Materialkarte im Umfeld der Zulieferer zunehmend eine notwendige Ergänzung des an den OEM zu übergebenden Datensatzes dar und steigert so die Wettbewerbsfähigkeit.
